23 März 2010

Michael Hardt: Common Wealth im Streitraum Schaubühne, 21.03.2010



Crisis? What Crisis?, fragt man sich manchmal, wenn man sich die Alltagswelt betrachtet. Trotz globaler Finanz- und Wirtschaftskrise werden kaum ernstzunehmende Alternativen formuliert und die von den Herrschenden lauthals verkündete Beschneidung der Finanzmärkte ist schon nach den ersten Anläufen stecken geblieben. Auch andere Instrumente wie Abwrackprämie und Kurzarbeitergeld, haben nichts mit alternativer Politik zu tun, denn sie dienen nur dem Erhalt überkommender Strukturen. Doch die Ansicht, das nur der Staat die Sache richten kann, ist auch im linken Millieu weit verbreitet und man fordert Investitionsprogramme oder Verstaatlichung. Ein ganz anderes Konzept dagegen wird von den linken Vorzeigeintellektuellen Antonio Negri und Michael Hardt vertreten. Die plädieren in ihrem neuen Buch „Common Wealth“ nämlich für die Selbstorganisation und liefern gleichzeitig den fundiert ökonomischen und soziologischen Unterbau dazu.
In der Reihe Streitraum an der Berliner Schaubühne hatte Michael Hardt die Möglichkeit seine Thesen vorzustellen: Das Gemeineigentum muss gestärkt werden und er meinte damit sind nicht nur materielle Dinge wie Wasser, Luft und Natur, sondern insbesondere Ideen, Wissen und Information. Erst wenn die starre Verbindung von Privateigentum und Information aufgelöst und Wissen und soziale Handlungen frei geteilt werden können, werden sich die Potenziale der immaterialen Güter voll entfalten und zu einer gerechten „Demokratie der Multitude“ entwickeln. Also fordern Hardt/Negri den freien Zugang zu Information und Wissen, und das alle immateriellen Güter grundsätzlich und bedingungslos der Allgemeinheit zu Gute kommen.
Der klassischen Linken wird die Theorie vom „Common Wealth“ und insbesondere die Idee der Selbstermächtigung nicht schmecken, geht man hier doch immer noch von Klassengegensätzen aus. Aber grade im Zusammenhang von „Empire“ und „Multitude“, den beiden anderen viel diskutierten Theoriekonzepten von Negri/Hardt ist „Common Wealth“ nur folgerichtig. Da sich das Empire als Ausdruck der aktuellen Weltordnung in vielfältiger und flexibler Form zeigt und sich immer den Erscheinungen der Multitude, also der Vielfalt der Subjekte anpasst, es also kein Außen und Innen im Empire gibt, muß jede Politik die sich außerhalb des Empires stellt scheitern. Folgerichtig fordern sie statt einer Revolution der Klassen ein solidarisches Netz von Individuen die gemeinsam entscheiden, in welche Richtung sie gehen.
Zwar lehnt Hardt das klassische Konzept des Klassenkampfs ab, dennoch kam ihm das K-Wort mit Leichtigkeit über die Lippen. Da in der öffentliche Debatte der Kommunismus aber als realsozialistisch gescheiterter Staats- und Wirtschaftdirigismus steht, fordert er eine Rückformulierung auf den ursprünglichen Sinn des Wortes: der Zusammenschluss freier Individuen zur gemeinsamen Organisation der Produktion jenseits von Privateigentum. Und genau wie das K-Wort neu definiert werden muss, fordert er das gleiche für die Begriffe Liebe und Demokratie.
Allerdings Tat tut sich Michael Hardt schwer mit der Frage, wie die Multitude, also die „Singularitäten, die gemeinsam handeln“ in ihrer Vielschichtigkeit und Wandlungsfähigkeit ein gemeinsames Konzept finden können, um „Common Wealth“ umzusetzen. Jeder, der sich beim WG-Plenum schon einmal um einen Putzplan gestritten hat, kann das nachvollziehen. Hardts Gesprächspartnerin Carolin Emcke illustriert die Theorielücke mit dem Bild eines homosexuellen jungen Mannes im Gaza-Streifen der von mindestens drei Hegemonialkräften (Gesellschaft, Klasse, Religion) beherrscht wird. Wie kann diese Person durch das Konzept der Selbstermächtigung Befreiung finden? Etwa in dem es sich mit anderen unterdrückten, aber homophoben Palästinensern verbündet?
Der Pathos und die ethische Größe welche im Konzept des „Common Wealth“ steckt, ist immens. Der radikale Bruch mit linker Denktradition, aber noch viel größer.

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