10 November 2010

Novemberlieder mit Former Ghosts, Zola Jesus und Xiu Xiu, 9.11.2010, Festsaal Kreuzberg

In Berlin hat sei gefühlten zwei Wochen die Sonne nicht mehr geschienen und langsam fängt der graue Herbst an, mir aufs Gemüt zu schlagen. Was könnte da besser sein, als die Stimmung mit ein Konzert von FORMER GHOSTS, ZOLA JESUS und XIU XIU weiter zu drücken. Erheiternde Musik hört sich anders an...

FORMER GHOSTS ist ja eigentlich eine One-Band-Band von Freddy Ruppert, wird aber durch die Mitarbeit von Jamie Stewart und Zola Jesus ein bisschen wie die Supergroup des Indi-Morbiden gehandelt. Dementsprechend düster und klaustrophob geht es bei FORMER GHOSTS zu und die ständigen Vergleiche zu Joy Division sind gut nachzuvollziehen. Bei FORMER GHOSTS kommt aber auch eine queere Komponente dazu und auch wenn es wie ein Klischee klingt: Schwule Männer haben offensichtlich einen weiter entwickelten Sinn für Style und Dramatik. Denn bei FORMER GHOSTS klingt trotz aller Zerbrechlickeit und autistischen Ausstrahlung des Freddy Ruppert immer auch das gewisse Opernhafte durch. Und das passt gut zu den klaustrophoben Beats und der minimalen Casioelektronik.

Dagegen klangen bei ZOLA JESUS die Beats, als ob man unter einer Eisenbahnbrücke steht und grade ein Güterzug rüberrollt. Ihre Klänge sind vor allem industriell und lärmig, die Songs apokalyptisch und ihr Gesang voller Dramatik. Ihr Auftritt beim Berlinfestival ging in der frühabendlichen Atmosphäre feierwütiger Festivalbesucher weitestgehend unter, aber hier und heute entfaltet ihr klischeefreier Düstersound seine volle Wirkung. ZOLA JESUS ist die Gothrock-Version von Kate Bush oder die Fever Ray ohne den ganzen konzeptionellen Ballast.

Bei XIU XIU weiß man ja nie so richtig, ob sie es banal oder brutal meinen. Ihre Texte sind tieftraurig und oft mit Sarkasmen gespickt. Das Video zu „Dear God I Hate Myself“ zeigt Sänger Jamie Stewart wie er genüsslich Schokolade vertilgt, während sich Bandpartnerin Angela Seo den Finger in den Hals steckt und unter Schmerzen übergibt. Musikalisch changieren XIU XIU von bittersüßen Akustiksongs über lupenreinen Pop zu dröhnender Kakophonie bis zu Kinderzuimmer-Spielzeug-Trashsound. In dieser Band sind musikalisch so viele Aspekte zu finden, dass es schwer fällt sie zu beschreiben, aber genau diese Zerrissenheit ist das Geheimnis ihres Zaubers. XIU XIU’s Musik ist ein fein ausbalanciertes Gebilde aus Pop und Noise, der den Zuhörer hin und her wirft, der Spannungen aufbaut und wieder verwirft. Jamie Stewart ist einer der größten, aber unterbewertesten Crooner der Indiewelt, der die Zuhörer mit seelenstrippender Ehrlichkeit genauso wie mit kakophonischer Abschreckung unterhält und am Ende genauso zerrissen stehen lässt, wie er selbst ist.