22 Februar 2010

Baustellenparty mit La Stampa + Driver & Driver, 20.Februar 2010, Praterfoyer:



Wann endlich untersuchen ein parr schlaue Köpfe mal, warum es dem Staatsakt-Label immer wieder gelingt, mit seinen Neuveröffentlichungen einen mittelprächtigen medialen Hype zu generieren. Liegt das vielleicht am Referenzrahmen aus Bar 25-Szene-Bohei, Popkultur und ein wenig Sozialkritik, in dem sich Staatsakt tummelt? Möglich. Andere berliner Labels haben da andere Strategien und behaupten ihr öffentliches Standing dank Großmäuligkeit (Louisville) oder Netzwerkeln (Sinnbus). Gelegentlich werden bei Staatsakt ganz gute Platten veröffentlicht werden, auch wenn sich das Label hier und da an Generationsmissverständnissen verhebt (siehe die hormongesteuerten Chuckamuck). Die Artpop-Band La Stampa mitsamt ihrer alternden Szenegesichtern passt da hypetechnisch natürlich wie Arsch auf Eimer und wurde im Vorfeld schon allerortens abgefeiert und runtergenudelt (okay und sein wir ehrlich: Jörg Heisers ex-band Svevo hat Mitte der Neunziger wohl höchstens 300 Platten verkauft...) Nur einer war von dem Hype um die Band unberührt: Das Ordnungsamt Pankow teilte den Veranstaltern des Ballhaus Ost mitten im Soundcheck mit, das mit sofortiger Wirkung alle Veranstaltungen nach 22 Uhr untersagt sind. Das ist für eine medial breit angekündigte Recordreleaseparty eine Hypeband natürlich der Tod. Doch glücklicherweise existiert eine perfekte Szenevernetzung und Co-Veranstalter Ran Huber benötigte genau zwei Telefonanrufe, um als neuen Spielort das Praterfoyer in der Kastanienallee auszudealen. Distinktionstechnisch eine gute Entscheidung, treffen hier doch angesagte Hochkultur (Polesch, Hegemann) auf Touristenkultur (Kastanienallee, Kulturbrauerei) zusammen, und so wurde der Schwäbisierung des Prenzlauer Bergs mal wieder ein subversives Schnippchen geschlagen.
Doch mit dem spontanen Spielortwechsel begannen die Probleme: Das Praterfoyer versprühte rüden Baustellencharme, die Bühne glich der Komfortabilität eines Wohnwagens und die Lichtstimmung erinnerte an einen Bahnhofwartessaal in den Achtziger des letzten Jahrtausends. Dazu ein blecherner, katastrophaler Sound und so bekam der Abend schnell den Gestus einer improvisierten Probegroßraumparty mit gutangezogenen Szenepeople. Dieses Setting hatte die Band La Stampa nun wirklich nicht verdient, denn auf Platte klingt ihr schräger Artwavepop sehr frisch und attraktiv, im Baustellenambiente des Praterfoyers erinnerten sie jedoch stark an eine fahrig-unbedarfte Kunstschul-Coverband welche die Hits von Devo, Magazine und Josef K möglichst stilecht interpretieren wollte. Die feinen, glitzernden Unterschiede im Sound, die man auf ihrer Debüt-Platte „Pictures Never Stop“ vernimmt, die Wiederaneignung des New Wave unter dem Vorzeichen der 2010er Jahre und die lässige Verspieltheit samt ironisch-melancholischer Auswüchse kamen heute völlig abhanden. Die Band war sichtlich froh, als sie nach der Zugabe (peinlich, weil völlig ironiefrei: „All tThe Things She Said“) die improvisierte Bühne verlassen durften. Der Co-Veranstalter verabreichte zum Trost Wodka aus Plastikbechern und man hätte der Band noch viele Auftritte in kleinem Rahmen gewünscht, bevor sie ihre Karriere auf so unnachahmliche Weise versauen.


Driver&Driver - Umtausch Sofort!

Driver&Driver | MySpace Musikvideos

Aber wie sich herausstellte, war dass, was als Höhepunkt des Abends angekündigt war, nur der Beginn, denn nach La Stampa kamen noch Driver Driver. Das Duo (Patrick Catani und Chris Irmler) fügten sich in den rüden Baustellencharme des Praterfoyers prächtig ein (inzwischen hatte auch jemand die Stecker der Wartesaalbeleuchtung gezogen) und drückten vom ersten Ton aufs Gaspedal. Der prollige Dada-Deichkind-Elektropunk passte so wunderbar zur absurd-kaputt-peinlichen Atmosphäre des Abends, dass das Publikum sofort anfing zu kreischen. Jetzt konnten endlich Hemmungen fallen gelassen und zu Kirmestechno, Garagepunkschlagzeug, Elektrokrach und Dada-Texten wild mitgewippt werden. Chris Irmler trug ein schwarz-rot-goldnes Truckercap nebst Baumwollhemd und hatte zur Erinnerung die Texte auf Plastiktüten geschrieben und diese über sein Schlagzeug gehängt. Sänger Patrick Catani verschenkte Mon-Cheris an die Damen in der ersten Reihe und füllte die im zugewiesener Rolle als schräg-kaputter Freak mit Freude aus. Und so wurde dank Driver Driver aus dem Abend doch noch eine Feier mit knietiefer Ironie und Fuck-You-Attitüde und dieser ganzen Referenzballast aus Pop- und Kulturkritik wurde dankenswerter Weise über Bord geworfen. Das wäre unter den Vorrausetzungen des Ballhauses Ost wohl nicht passiert....

http://www.myspace.com/driveyouhome

http://www.myspace.com/lastampaberlin


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